Historie der Farbenlehre - Teil I

So viele Farben und Abtönungen es gibt, so viele unterschiedliche Farbtheoretiker und -theorien existieren wahrscheinlich. Ich möchte hier lediglich auf die prägnantesten und interessantesten eingehen, um ein wenig "Licht" ins "Dunkel" der Farbwelten zu bringen.

Farbenlehre in der Antike

Die Thesen und Überlegungen zu Farben und der Farbenlehre sind vielfältiger Natur und reichen bis in die Antike zurück.

 

Bereits zu Lebzeiten des griechischen Philosophen und Denkers Pythagoras (um 570 v. Chr.; + nach 510 v. Chr.), der sich weitreichende Gedanken zur universellen Weltordnung machte, befasste sich mit Farben als Teil eben dieser. In seiner Vorstellung gab es vier elementare Farben, nämlich Weiß, Schwarz, Rot und Gelb.

 

Der Anzahl von VIER Farben dürfte die urtypische Unterteilung zugrunde liegen, in die wir Vieles heute noch  einordnen, z.B. die vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde, die vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten u.v.m.

 

Auch der griechische Philosoph Platon ( 428/427 v. Chr., + 348/347 v. Chr), ein Schüler von Sokrates, beschäftigte sich intensiv mit der Farbenlehre und kam zu der Ansicht, die Grundfarben bestünden aus Weiß, Schwarz, Rot.

 

Aristoteles (384 v. Chr.; + 322 v. Chr.), Schüler von Platon, greift Pythagoras' Thesen zum Teil auf und beschäftigte sich ebenfalls intensiv mit dem Phänomen "Farbe" und auch er versuchte, Gesetzmäßigkeiten herauszufinden und "Ordnung" zu schaffen. Man nimmt sogar an, er sei der erste Mensch überhaupt gewesen, der die Mischung von Farben untersuchte.

 

In seiner Farbenlehre geht es - nach unsicheren Überlieferungen aufgrund von Unstimmigkeiten in den Übersetzungen - nicht nur um die Farben Gelb, Purpurrot, Schwarz, Weiß, sondern auch um Violett, Grün und Blau. Womöglich spielten dabei die Farben des Regenbogens eine größere Rolle. Man sagt aber auch, er sei von der magischen Zahl Sieben regelrecht besessen gewesen und wollte auf jeden Fall sieben Farbtöne finden, die er von dem hellsten zum dunkelsten anordnete und damit ein zwar recht simples, doch damit auch das erste Farbsystem überhaupt schuf, dem sich u.a. auch Leonardo da Vinci (1452 -1519, siehe weiter unten im Text).bediente und weiterentwickelte.

 

Trotzdem Aristoteles sieben Farbtöne bestimmte, erkannte er auch, dass neben Schwarz und Weiß lediglich drei Grundfarben (Rot, Gelb, Blau) benötigt werden, um daraus alle anderen Farben zu mischen.

 

Vor mehr als 2000 Jahren wurde also etwas festgestellt, auf dem noch heute viele Farbsysteme aufbauen und u.a. auch in der Technik, z.B. bei Monitoren Anwendung finden.

Farbenlehre im Mittelalter

Als wohl berühmtester Universalgelehrter galt der Italiener Leonardo da Vinci (1452 -1519). Er war nicht nur Maler („Mona Lisa“ 1503-1506) und Bildhauer, sondern auch Architekt,  Naturphilosoph, Anatom, Ingenieur und Mechaniker. Als Maler war da Vinci auf der Suche nach einem praktikablem System für die Mischung von Farben. Für ihn bestanden die Grundfarben aus Weiß, Gelb, Grün, Blau, Rot, Schwarz. Wobei er wohl lange überlegt haben muss, ob er nun Grün mit aufnehmen soll oder nicht, da sie ja keine "reine" Farbe ist, sondern aus Blau und Gelb gemischt wird.

Farbenlehre der Neuzeit

Neben wichtigen Errungenschaften, wie die z.B. die Entdeckung des Gravitationsgesetzes, untersuchte der bedeutende Naturwissenschaftler Sir Isaac Newton (1642-1726) auch Optik, die Entstehung von farbigem Licht. Im Jahre 1672 entdeckt Newton mit Hilfe von Experimenten mit Sonnenlicht und einem Prisma, dass Licht aus verschiedenen Farbanteilen zusammengesetzt ist, was eine revolutionäre Erkenntnis seiner Zeit war.

 

Allerdings entfachte sich ein wissenschaftlicher Streit zwischen ihm und seinen "Kollegen" Robert Hooke (1635–1703) und Christian Huygens (1629–1695) darüber, was Licht ist, bzw. wie es zusammengesetzt ist. Newton sah im Licht die Bündelung lauter kleiner Teilchen, womit er auch optische Erscheinungen zu erklären versuchte. Hooke und Huygens hingegen waren der festen Überzeugung, dass Licht aus Wellen (ähnlich der Schallwellen) besteht.

 

Doch Newton genoss damals höchste Anerkennung in wissenschaftlichen Kreisen, weshalb sich seine Theorie durchsetzte und bis Ende des 18. Jhd. bestimmend war. Erst Anfang des 19. Jhd. wies der deutsche Physiker Albert Einstein (1879–1955) nach, dass Licht sowohl aus Wellen als auch aus Teilchen bestand.

 

Davor mischte jedoch auch unser deutscher Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832) mit und Newtons Farbtheorie auf, denn er war der Meinung, Farben entstünden - sehr vereinfacht gesprochen - aus Licht und Schatten, bzw. hell und dunkel. Und während Newton davon ausging, dass sich alle Farben in Weiß wieder fänden, ging Goethe davon aus, alle Farben wären in Schwarz vereint. Wüsste Goethe, dass seine Farbenlehre, die ihn mehr als 20 Jahre seines Lebens beschäftigt hatte, heutzutage großteils nur noch kulturhistorischen Wert hat - und ein wenig auch, um all jene, die sich heutzutage mit Farben beschäftigen, zu verwirren - würde er sich höchstwahrscheinlich im Grabe herumdrehen.

 

Für Goethe stellte Farbe und deren Komposition ein "Dichten mit den Augen" dar. Wie besessen arbeitete er in beinahe unsympathisch-rechthaberischer Weise an die 20 Jahre an seinem dreiteiligen Werk "Die Farbenlehre", das auf 1808 datiert und 1810 (der didaktische, der polemische, der historische Teil) veröffentlicht und zudem der Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach gewidmet wurde. Dazu inspiriert hatte ihn seine Italienreise und die Gespräche über Farbe und Farbkompositionen mit Kunstmalern. Außerdem wollte er Newtons These unbedingt widerlegen.

 

Sein Werk ist sehr komplex, ein Sammelsurium von Gedanken zu Farben, deren Entstehung und Zusammensetzung, so dass es nur schwer zusammenzufassen ist, vielleicht auch weil sich die "farbigen" Gedankengänge eines Dichters für einen Kunstmaler weder erschließen noch sonderlich hilfreich sind. Denn ein Kunstmaler arbeitet nicht nach "Gesetzen", er malt nach Gefühl, Stimmung und Laune, was sich ganz automatisch (auch) in den Farben ausdrückt, die er verwendet. Allenfalls braucht er etwas technisches Wissen zur Mischung von Farben.

 

In Goethes Farbkreis steht (PURPUR-)ROT an oberster Stelle, GRÜN an unterster. Den Farben, die durch mischen nicht hergestellt werden können (Blau, Gelb und Rot), stellt er im Farbkreis die jeweiligen Komplemetärfarben gegenüber, also Blau/Orange, Gelb/Violett und Rot/Grün.

 

Goethe hatte wohl versucht, "deutsche" Ordnung zu schaffen und unterteilte in seinem dem Teil „Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe“  die Farben in

  • harmonische Gegensätze, z.B. rot/grün. 
  • charakteristische Zusammenstellungen, z.B. gelb/blau
  • charakterlose Zusammenstellungen, z.B. blau/grün

Je kontrastreicher und gegensätzlicher die Farben, desto "harmonischer" wären Farben also nach Goethe. Nun, über den Begriff "harmonisch" wie auch "Geschmack" lässt sich ja bekanntlich trefflich streiten. Immerhin hat er richtig erkannt, dass Farben Auswirkungen auf Stimmung und Gemüt haben, dass sie die menschliche Psyche beeinflussen können.

 

Zu Goethes "Sinnlich-sittlichen Wirkung der Farbe" hier zwei Beispiele zweier meiner eigenen Gemälde: Abb. 1 Dieses Gemälde wäre nach Goethe also eher "harmonisch", während er die Farbgebung des 2. Gemäldes (Abb. 2 ) entsprechend eher als "charakterlos" bezeichnen würde. Entscheiden Sie selbst!


Wer sich Goethes Werk sich in Gänze antun will, Teil II gibt es hier als kostenloses e-book. Viel Spaß dabei.

 

Im nächsten Artikel gehe ich auf Farbtheorien des 20. Jhd. ein.

09/2017


Historie der Farbenlehre - Teil II

Nach Teil I der Farbenlehre komme ich heute auf die moderne Farbenlehre zu sprechen.

Wilhelm Ostwald (1853-1932)

Wenn es um die Farblehre geht, darf Friedrich Wilhelm Ostwald (1853-1932) keinesfalls vergessen werden. Der vielseitige Forscher und Nobelpreisträger (1909 für Chemie) wollte ein wissenschaftlich fundiertes Farbsystem schaffen und beschäftigte sich intensiv mit dem Entstehen von Farbharmonie.

 

Ihn trieb die Frage um, warum die Kombination von manchen Farben harmonisch, also angenehm empfunden wird, wiederum andere Farbkombinationen als eher unangenehm und ob diese Phänomene mit irgendwelchen Gesetzmäßigkeiten einhergehen. Er geht dabei von der Grundannahme aus, dass das Harmonieempfinden von Farbkombinationen etwas mit deren Anordnung zu tun hat und dass die harmonischen Abtönungen aus der gesättigten Grundfarbe (Vollfarbe) plus Schwarz oder Weiß entstehen.

 

Als Grundfarben definierte er Gelb, Rot, Ultramarinblau und Seegrün, die er im Farbkreis so anordnete, dass sie jeweils ihrem "kompensativen" (= Mischung ergibt neutrales Grau) Pendants gegenüberstellt, also Gelb/Ultramarinblau, Orange/Eisblau, Rot/Seegrün und Violett/Laubgrün. dazwischen platzierte er entsprechende Abtönungen, die durch Beimischung von Schwarz oder Weiß entstehen.

 

Wenn ich seine komplexen Gedankengänge richtig interpretiere, dann wirkten - sehr vereinfacht dargestellt - demnach nur solche Farben harmonisch, die zu gleichen Teilen Weiß oder Schwarz enthalten - demnach würde die Farbkombination von hellen Pastellfarben mit expressiven, gesättigten Vollfarben als eher unharmonisch empfunden.

Johannes Itten (1888 bis 1967)

Der Schweizer Künstler und Kunstpädagoge beschäftigte sich Zeit seines Lebens mit Farben, Farbsystemen und Farbwirkung und kam zu dem Schluss, dass jeder Mensch eine Farbe anders empfindet, individuell abhängig von Charakter und Veranlagung. Bei Itten stand also die Farbwirkung im Vordergrund und nicht eine rein wissenschaftlich-analytische Annäherung an Farbe und Farbharmonie. Er war es auch, der die Menschen nach Jahreszeiten in Farbtypen einteilte, eine Klassifizierung, die noch heute oft in der Industrie (Mode, Kosmetik) Einsatz findet.

Josef Albers (1888-1976)

Farbempfinden ist nicht lehr- oder lernbar. Entweder man hat es oder man hat es nicht. Zu dieser Erkenntnis kam auch Bauhaus-Lehrer Josef Albers in Bezug auf die Praktikabilität von Farbsystemen und Farbordnungen. Er meinte, dass kein Farbsystem per se die Sensibilität für Farben erhöhen könne, genauso wenig, wie ein Mensch musikalisch würde, nur weil er über ein bestimmtes Wissen hinsichtlich Akustik verfüge...

Aemilius Müller (1901-1989)

Der Schweizer Aemilius Müller wiederum griff Ostwalds Theorien zur Farbharmonie wieder auf und entwickelte eine "Ästhetik der Farbe in natürlichen Harmonien". In seinem gleichnamigen Werk, das er im Jahre 1973 veröffentlichte, findet man eine Sammlung von 200 Farbtafeln. Sein Ziel war es, eine Art Normierung von Farben und Farbtönungen zu finden, nicht nur als Hilfs- und Lehrmittel an Schulen sondern auch für die angewandte Kunst in Design und Architektur. Er war es auch, der den Begriff "Farbinversion" prägte, der erklären soll, warum manche Farbtöne zueinander unharmonisch wirken. In seinem Werk "Moderne Farharmonielehre" (1948) erklärt dies der Farbforscher ausführlich. Damit unterschiedliche Farben harmonisch miteinander wirken, ist nach Müller der gleiche Anteil bzw. Abstufung von Helligkeit in beiden Farben notwendig.

Dennoch begegnen uns ja farbliche "Disharmonien" im Alltag ständig und ohne bewusst zu bemerken, warum, halten wir kurz inne, stutzen einen Moment lang, wenn wir ihnen begegnen. Wahrscheinlich just deshalb werden "disharmonische Farben" durchaus ab und an bewusst eingesetzt von Designern, Künstlern, Modemachern, etc...

 

Abschließend ist noch anzumerken, dass ein allgemein gültiges Farbsystem oder ein allen - d.h. analogen wie digitalen - Anforderungen genügender Farbkreis nicht existiert. Über die unterschiedlichen Normen, z.B. für Industrie und der digitalen Welt gehe ich näher in zukünftigen Artikeln ein.

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